Der Wecker klingelt und es ist gerade erst 4 Uhr. Voller Motivation schlüpfen wir in unsere Wanderkleidung und schnappen uns unsere Rucksäcke. Nach einem letzten Blick auf das Handy stellen wir fest, dass aufgrund des schlechten Wetters Teilstrecken unseres Treks gesperrt sein sollen. Aber was soll’s – jetzt geht es endlich los! Dass diese Leichtigkeit heute noch verschwindet, kommt für uns absolut nicht infrage. Nach drei Stunden Busfahrt steigen wir bei strömendem Regen auf den Katamaran. Dieser bringt uns über den „Lago Phoe“, wo wir nun endlich am lang ersehnten Ausgangspunkt für den W-Trek stehen. Mit anhaltender Motivation und strahlenden Augen trotzen wir dem Regen. Am ersten Tag erwarten uns entspannte 11 km Wanderstrecke. Wir hatten zwar mit schönen Aussichten auf die Seen und umliegenden Berge gerechnet, jedoch bleibt es um uns herum trüb und verregnet.
Nach knapp 3,5 Stunden erreichen wir, bei anhaltendem Regen, das erste Camp „Campsite Grey“. Hier ist das Highlight der gleichnamige Gletscher „Grey“, der eine unvorstellbare Fläche von 270 km² umfasst. Doch in diesem Moment haben wir nicht den Gletscher im Sinn, sondern unsere hoffentlich trockene Unterkunft für die Nacht. Mit eiskalten Händen, komplett durchnässt, stellen wir unser Zelt unter ein paar Bäumen auf. Immer noch zitternd kochen wir anschließend Tee und unser eigentliches Abendessen, um irgendwie wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Bei 5 Grad hängen wir die völlig durchnässten Kleidungsstücke zum Trocknen auf. Ob sie wirklich trocken werden, ob der Regen heute wohl noch nachlässt und ob wir den Gletscher überhaupt zu Gesicht bekommen werden? Wir hatten unglaubliches Glück! Kurz vor Sonnenuntergang hört der Regen auf, und wir laufen noch zum 15 Minuten entfernten Aussichtspunkt des Grey-Gletschers. Wow! Es ist zwar keine klare Sicht, aber bis zum Horizont sehen wir nur Eis, umgeben von Bergen und Wasser. Nun aber schnell zurück in den Schlafsack, denn morgen wird es nicht einfacher.
Um 6 Uhr klingelt der Wecker, und der Wind pfeift. Wir waren erleichtert, denn obwohl es stürmisch ist, regnet es nicht. Daher war klar, dass unser Zelt und unsere Regenjacken trocken geblieben sind. Allerdings hat der gestrige Tag seine Spuren hinterlassen. Wir haben beide Halsschmerzen und die Nasen laufen unaufhörlich. Das es heute voraussichtlich erst ab 11 Uhr wieder regnen wird, haben wir von einem Park-Ranger erfahren. Dieses Zeitfenster wollen wir nutzen. Nach dem Aufstehen bauen wir unser Nachtlager ab, kochen uns Haferflocken mit Wasser und bereiten uns einen Tee zu. Gestärkt und erneut voller Motivation machen wir uns auf den Weg zu einem Ausgangspunkt, der etwa 1,5 Stunden vom Camp entfernt ist. Unsere Rucksäcke können wir für diese Strecke sogar zurücklassen. Obwohl das nasskalte Wetter bereits an uns zerrt, merken wir schnell, dass diese eigentlich gemütliche Strecke für uns relativ anstrengend ist.
Wieder zurück im Camp und überglücklich, den Aussichtspunkt trocken erreicht zu haben, gibt es zum Aufwärmen noch eine Suppe. Erholt, aufgewärmt und gestärkt machen wir uns auf den Rückweg zum gestrigen Ausgangspunkt, dem Camp „Paine Grande“. Kaum losgelaufen, fängt es auch schon wieder an zu regnen. Beim Laufen trotzen wir erneut dem Regen, machen Witze, lachen und sind einfach nur überglücklich und dankbar, hier im wunderschönen, wilden Patagonien zu sein. Wir erleben eine Mischung aus Regen, kräftigem Wind und kurzen Momenten, in denen die Sonne gegen die Wolken kämpft (oder es zumindest versucht). Kaum zwei Minuten nach unserer Ankunft im Camp, geht es richtig los. Es regnet in Strömen. Mit Tränen in den Augen setzen wir unseren geheimen Plan in die Tat um. Wir geben auf! Die Wettervorhersage für die kommenden drei Tage: REGEN. Die Aussichtspunkte für die kommenden Tage: wahrscheinlich GESPERRT. Unsere Motivation: WEG. In einem Gespräch mit anderen Wanderern haben wir erfahren, dass das Wetter normalerweise zu dieser Jahreszeit besser ist. Dieses Jahr soll jedoch der patagonische Winter bereits im vollen Gange sein, einen Monat früher als üblich. Na gut, wir kaufen uns ein Busticket zurück nach Puerto Natales und steigen erneut auf den Katamaran. Und siehe da, für einen kurzen Moment – ein wunderschöner Regenbogen. Ist das vielleicht ein Zeichen? Vielleicht ist Aufgeben nicht immer so, wie wir es uns vorstellen. Vielleicht ist es auch einfach der Beginn von etwas anderem Wunderbarem. 🌈